Vom Schrott zur Kunst
geschrieben von Christine Dittmann im Mai 2012
Zu Besuch bei dem Stahlbildhauer Ulf Petersen
Dicker Rauch steigt im Garten des Bauernhauses von Ulf Petersen aus Eyendorf auf, wenn er seine Esse anfeuert — in der Rechten den Hammer, in der Linken die Zange, mit der er das glühende Werkstück aus dem Feuer nimmt. Auf dem Amboss wird es bearbeitet, erhält seine Form. „Aus diesem Stahlkeil soll einmal eine Skulptur werden“, erklärt Petersen.
Ulf Petersen arbeitet mit dem Werkstoff Metall seit 40 Jahren. Er ist Metallbaumeister und hat 18 Jahre in Hamburg bei einem Qualifizierungsträger gearbeitet. Mit seinem Sohn lebte er einst in der Großstadt und träumte davon, viel Raum zu haben, um sich gestalterisch ausdrücken zu können. Bisher musste der heimische Keller als Werkstätte herhalten, doch fehlte der Platz für Großformatiges. Vor sechs Jahren dann liefen die Projekte, in denen er tätig war, aus. Seine Wohnung sollte verkauft werden und so flatterte bald die Kündigung für sein Zuhause ins Haus. Pech, könnte man nun sagen – doch Ulf Petersen machte aus der Situation eine Tugend und gestaltet kurzerhand sein Leben neu: Der Stahlbildhauer fand einen alten Hof in der Lüneburger Heide und zog zunächst auf eine Baustelle – anders konnte man das historische Gebäude von 1906 nicht bezeichnen. Neben seinem neuen Job standen täglich Renovierungsarbeiten an.
2009 leitet er ein interkulturelles Projekt der Internationalen Bauausstellung in Wilhelmsburg. „Mit jungen Erwachsenen aus verschiedenen Ländern erarbeiteten wir aus Metall Figuren, die ihre innere Haltung ausdrückten.“ Daraus wurden schließlich körpergroße Skulpturen, die heute auf dem Berta-Kröger-Platz in Wilhelmsburg stehen. Wenn er sie sieht, geht Ulf Petersen nach wie vor das Herz auf.
Überhaupt sind Haltung und Herz zwei Themen, die seine Stahlbauskulpturen begleiten: Da wird ein Stahlkeil verdreht, ein Metallglied eingesetzt, dann entsteht eine neue Form – und der Betrachter erkennt eine Frau mit Herz. „Ich habe einen großen Fundus aus Schrottteilen und Blechen, aus dem ich regelmäßig neue Skulpturen komponiere.“ Erst ausgelegt, dann verschweißt oder verformt, fügt sich der Schrott zu neuen Objekten zusammen.
Doch manchmal wartet Ulf, bis ihn die Muse küsst. Dazu wühlt er gern in seinem Garten in der Erde oder läuft durch die Felder: „Das war in der Großstadt nur selten möglich.“
Seit einem Jahr ist seine künstlerische Tätigkeit nicht mehr nur Nebenverdienst, sondern zum Hauptberuf geworden. Täglich malt er gleich nach dem Aufstehen eine Skizze, ein Pixel, wie er es nennt, um seinen Gemütszustand festzuhalten. Er gibt Workshops in Modellieren, Malen, Schmieden und natürlich auch in der Stahlbildhauerei. So kann er seinen alten Beruf als Ausbilder trotzdem noch ausüben und sich gleichzeitig der Kunst widmen: „Mindestens zwei Mal im Jahr will ich ausstellen, einmal in meinem Atelier, einmal außer-
halb.“ Der Künstler arbeitet häufig an mehreren Projekten zugleich, da kann es sein, dass er morgens schmiedet und nachmittags brennt er Metall aus: „Das Weglassen einiger Details ist für mich ganz wichtig, denn der Betrachter wird dazu angeregt, Fehlendes imaginär zu ergänzen.“ Die rostigen Teile werden in einen neuen Kontext gebracht und die vorgegebene Funktion wird verlassen, so kann Neues entstehen. Geschichten, Gedichte und Personen dienen oft als Inspirationsquelle: „Im Entstehungsprozess wird manchmal aus einer Gartenschere erst ein Rabe und dann sehe ich etwas anderes in dem Metall und forme das Ganze wieder neu.“
Für seinen Metall-Fundus findet er vieles auf dem Schrottplatz, aber auch die Dorfbewohner bringen ihm ab und zu etwas vorbei. Das dörfliche Leben mit seiner Ruhe und der Nähe zur Natur gefällt dem ehemaligen Großstädter, der seine Jugend im Ruhrgebiet verbrachte. Schon damals, so erinnert er sich, trieb ihn eine große Sehnsucht nach dem Landleben. Weite Landschaften kennt er durch seine Ferienaufenthalte in Nordfriesland. Viele seiner Bilder zeigen Strandlandschaften. In der Heide habe er schließlich auch seine Frau gefunden, mit der er mittlerweile in dem Haus zusammenlebt, das sie gemeinsam ausgebaut haben, erzählt er.
Wieder heizt er das Feuer an, legt sein Metallstück behutsam in die lodernden Flammen, bis es die richtige Temperatur zum Schmieden erreicht hat. Der Hammer fährt in stetem Rhythmus auf den Amboss nieder, um die Form des Metalls zu verändern. „Es braucht schon etwas Mut, um seinem Leben eine neue Form zu geben.“(cd)
Fotos: Christine Dittmann
Weitere Artikel:
Bardowicker Gesäßhuldigung
Brutzeln und kochen für den Denkmalsc...
Frieden war das schönste Geschenk
Willkommen im Katzenparadies
Plötzlich scheinreich
Trabis, Tränen und eine Stadt im Taum...
Wie geht eigentlich Kunst?
Bruchbuden gegen den Wohnraum-Mangel
Auf der Lüneberger Heide?
„Der Sturm“ wird ein Bühnen-Orkan
Der Hochzeitstag ist auch nur ein Datu...
Re(h)agieren Sie rechtzeitig
Ein Tag für Ja-Sager
Gehen Sie doch einfach mal am Stock...
Oase des Glücks
Die Kampfkunst des Mittelalters
Wie böse ist die Schlange wirklich?
Per App auf Zeitreise
Rule Brexitannia
Suchbild des Monats September 2019
Lüneburg Aktuell

Lüneburg Aktuell
Heute schon lesen was morgen in der Zeitung steht
Veranstaltungskalender
Mittagstisch
Kleinanzeigenmarkt
http://www.lueneburgaktuell.de/