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Bardowicker Gesäßhuldigung

geschrieben von Irene Lange im Dezember 2019

Allein die Vorstellung ist erheiternd: Da sitzen wackere Bardowicker Bürgerinnen und Bürger auf der Wallmauer der Stadt und zeigen ihre nackten Hinterteile. Sie huldigen im Jahr 1182 auf diese Weise ihrem Fürsten, Herzog Heinrich der Löwe, bei seinem Versuch, in der Stadt Aufnahme zu finden

Klar, dass der das gar nicht lustig findet und sich für diese „Ehrerbietung
bedankt“, indem er die Stadt einige Jahre später (1189) belagert und nach drei Tagen bis auf den Dom weitgehend zerstört. Dieser jedoch fiel 1371 bei kriegerischen Auseinandersetzungen einem großen Stadtbrand
zum Opfer, wurde aber später in der für Lüneburg tpyischen Backsteingotik wieder aufgebaut.
Das war im Jahre 1189. Bis heute ist diese Begebenheit noch als „Bardowicker Gesäßhuldigung“ unvergessen. Dabei ist die Verweigerung der Aufnahme Heinrichs des Löwen in der Stadt zwar historisch belegt, allerdings die „Gesäßshow“
nicht, die aber dennoch vorstellbar ist.
Alles fing damit an, dass im Jahre 1176 Kaiser Friedrich I. Barbarossa in Italien gegen die Lombardei zog und der Welfenherzog Heinrich, genannt der Löwe, ihm die Unterstützung bei diesem Feldzug verweigerte. Das blieb nicht ohne Folgen, denn dieser wurde daraufhin 1180 geächtet, verlor alle seine Besitztümer mit Ausnahme seiner Güter um Lüneburg und Braunschweig. Zudem musste er 1182 für drei Jahre zu seinem Schwager Richard Löwenherz nach England in die Verbannung.
Zu der Zeit war Bardowick zu einem der größten Zentren im norddeutschen Raum geworden. Bereits 795 n. Chr. ist Bardowick erstmals erwähnt. Karl der Große machte Bardowick (Bardewic) zum Sitz eines königlichen Gesandten.
Kaufleute trieben regen Handel mit den Ostgebieten. Zudem war die durch Bardowick fließende Ilmenau nur ab hier bis zur Elbe schiffbar und ermöglichte die Verbindung zum offenen Meer. So wurde später auch das Lüneburger Salz von Bardowicker Schiffern auf dieser Strecke transportiert. Immer mehr Kaufleute siedelten sich in Bardowick an, so dass der Ort seinerzeit erheblich größer war als die historische Innenstadt Lüneburgs.

So ist es nicht verwunderlich, dass ein für den heutigen Flecken Bardowick etwas überdimensionierter Dom existiert, der zwischen 1389 und 1485 in seiner heutigen Form erbaut wurde, während der Westbau noch aus dem 12. Jahrhundert stammt. Das Kirchenschiff war vermutlich aus Feldstein errichtet. Angesiedelte Kleriker missionierten von hier aus die „heidnischen“ Slawen jenseits der Elbe. Ob der Dom jemals Bischofssitz war, ist umstritten. Jedoch war er kirchliches Zentrum des sogenannten Bardengaus, wie im Mittelalter das Gebiet der heutigen Landkreise Lüneburg und Uelzen sowie die angrenzenden Teile der Landkreise Harburg, Lüchow-Dannenberg und des Heidekreises genannt wurde. Durch die Ernennung Heinrichs zum Herzog von Sachsen erweiterte er sein Herrschaftsgebiet. Er sorgte dafür, dass die für den Ostseeraum wichtigen Städte Lübeck und Schwerin zunehmend Bardowicks politische und wirtschaftliche Rolle übernahmen, indem ihnen Markt- und Stadtrechte verliehen wurden. Viele Bardowicker Kaufleute verzogen nach Lübeck und Schwerin, weil es in Bardowick keine Geschäfte mehr zu machen gab, sehr zum Ärger der Zurückgebliebenen. Doch zunächst verzögerte sich der Rachefeldzug Heinrichs gegen die Bardowicker, die ihn keinesfalls in den Ort einfallen lassen wollten. Es war am 28. Oktober 1189, als ihm dennoch der Sturm auf die Stadt gelang. Es heißt, dieser sei möglich geworden, weil ein entlaufener Bulle durch eine flache Stelle der Ilmenau getrottet sei. Das hatten die Soldaten beobachtet und drangen sofort in die Stadt
ein, um dort ein vollständiges Werk der Zerstörung anzurichten. Nur die Kirchen und Kapellen blieben verschont. Noch heute thront über dem Südportal des Doms ein hölzener Löwe mit der Inschrift LEONIS VESTIGIUM („Spur des Löwen“), der an die Zerstörung Bardowicks erinnert.
Ein Andenken ganz anderer Art hat die Stadt Schwerin der Legende (?) von der Gesäßhuldigung gewidmet. Hier wurde anlässlich des 800. Todestages des Stadtgründers Heinrich des Löwen auf dem Schweriner Marktplatz ein Denkmal aufgestellt. Geschaffen hat es der Bildhauer Peter Lenk. Auf einer viereckigen hohen Säule steht ein grinsender Löwe, während sich an den Seiten Szenen aus dessen Leben befinden, unter anderem auch die Bardowicker Gesäßhuldigung in sehr realistischer Darstellung. In der Öffentlichkeit zunächst umstritten, zählt das Denkmal inzwischen zu den touristischen Sehenswürdigkeiten der Stadt Schwerin. Nicht nur die Zerstörung von Bardowick durch Heinrich den Löwen hat den Niedergang der Stadt eingeleitet. Vielmehr ist dieser ebenso auf den Verlust der Bedeutung als wirtschaftliches Zentrum zurückzuführen. Zwar fand der Ort nie zu seiner früheren Größe zurück. doch mit Förderung der Landwirtschaft, insbesondere dem Gemüseanbau, ist es Bardowick gelungen, bis in die heutige Zeit ein lebendiger und attraktiver Ort für Handel und Wandel im Nordosten Lüneburgs zu sein.

Fotos: Stadtmarketing Schwerin/Alma Friedrichs, Irene Lange