Happy Birthday, Sesamstraße!
geschrieben von Carin Hodel im März 2013Die Kultsendung feierte ihr 40. Jubiläum – ein Ereignis, das Kindheits erinnerungen weckt. Oder wollen Sie etwa behaupten, Sie hätten das Zählen nicht von Graf Zahl gelernt?

Hören Sie das – dieses Boingboing der Titelmelodie, das an hüpfende Flummis erinnert? Ernies krächzendes Kichern oder Krümelmonsters vehementen Schrei nach „Kekseeeen“? Man kann das schwer beschreiben, das hat jeder irgendwie im Ohr, der nach den 60ern geboren wurde. In diesem Jahr feiert die berühmteste Straße der Welt ihren 40. Geburtstag – und man selbst stellt mit Erschrecken fest, wie alt man geworden ist. Ach – schön war sie, die Sesamstraße. Sie hat uns das Zählen beigebracht. Und das Alphabet, geometrische Formen und das soziale Miteinander. Vor allem aber hat sie uns eins geschenkt: Freunde. Puppenfreunde.
„Ma-Na-Ma-Na“ statt Midlife Crisis: Mit Stars wie Udo Jürgens feierten
Am 10. November 1969 fl immerte das Original „Sesame Street“ zum ersten Mal in den USA über die Bildschirme. Seit 1973 sind die fi lzigen Kinderhelden auch in Deutschland zu sehen: Oscar, der Griesgram aus der Tonne und das Krümelmonster. Der zwielichtige Händler Schlehmil („Hey, du?“ – „Wer, ich?“ – „Psst. Jaaa, genau! Willst du ein A kaufen?“). Nicht zu vergessen: Bert, der uns mit seinen Augenbrauen das Fürchten lehrte und sein Kumpel Ernie – jenes berühmte Duo, das bewies, dass auch ganz gegensätzliche Menschen Freunde sein können. Doch zur „Sesamstraßen-Crew“ zählen bis heute auch echte Schauspieler: Liselotte „Lilo“ Pulver, Horst Janson und Manfred Krug gehörten zu den Ersten, Dirk Bach folgte, Felicitas Woll, Michael Kessler, Tetje Mierendorf, Otto Waalkes, Barbara Schöneberger, Olli Dittrich und und und …

WER? WIE? WAS?
Dabei herrschte rund um die Sesamstraße nicht immer heiter Sonnenschein. Der Bayerische Rundfunk ließ die Puppen lange nicht auf den Bildschirm. „Zu anarchisch“, „zu amerikanisch“, „zu weit weg vom eigenen Erleben“ schimpften Kritiker. Von „kultureller Überfremdung“ und „Slumkunde aus dem Kübel“ war sogar die Rede. Ja, die „Sesamstraße“ spielte nicht auf blitzblanken Spielplätzen — zumindest nicht am Anfang —, sondern in einem amerikanischen Stadtviertel, in Hinterhöfen und auf Treppenaufgängen. Die rumpelige Kulisse gehörte damals zum Konzept von Fernsehproduzentin und „Sesamstraßen“-Erfi nderin Joan Ganz Cooney. Drei- bis Sechsjährige aus sozial schwachen Familien sollten auf den Schulstart vorbereitet werden, mit Geschichten, die um sie herum passierten und in denen Darsteller aller Hautfarben vorkamen. Toleranz und Konfl iktfähigkeit sollten gelernt werden, genau wie Zahlenreihen und das Alphabet. Muppet- Erfi nder Jim Henson erschuf die Puppen zu den Geschichten, die trotz trister Kulissen für Spaß sorgten. Fast 2.700 Folgen später ist die Kritik verstummt und die Sesamstraße noch immer auf Erfolgskurs. In der Gruppe der Vorschulkinder hat sie zurzeit knapp 35 Prozent Marktanteil. „Wer? Wie? Was?“ wird sich manch einer fragen, der heute einschaltet. Neue Kulissen, neue Puppen, neue Schauspieler. Samson und Herr von Bödefeld aus den 80ern sind längst Geschichte. Oscar heißt jetzt Rumpel und ist von der Müll- in die Regentonne gezogen. Und die Wohnküche mit Lilo und Manfred ist einer Art Spiel straße samt türkischem (!) Gemüseladen gewichen. Geblieben ist lediglich die Heimat der Puppen: Viele von ihnen führen ein echtes Jet-Set-Leben und reisen vom New Yorker „Sesame Workshop“, dem Mutterhaus der „Sesamstraße“, um die Welt. Zur großen Jubiläumsgala fl ogen sie alle im deutschen Studio ein und ließen es in den Kulissen von Studio Hamburg ordentlich krachen. Die Produzenten sind mächtig stolz auf ihr Geburtstagskind. Und wir, die wir mit dem lilafarbenden Graf Zahl tapfer durch die einstelligen Ziffern jonglierten, sind es auch! (ch)
WER? WIE? WAS? Zu Ostern zeigt der KiKa einen Langfilm des „Sesamstraßen“-Ablegers
„Eine Möhre für Zwei“. Für den Herbst ist ebenfalls im Kinderkanal eine große Gala geplant,
in der Musikstars ihre Hits mit Ernie und Bert neu interpretieren. Alte Filmchen, Puppen
und Samsons überdimensionale Schuhe – eine geballte Ladung „Sesamstraße“ zeigt die
Jubiläums- Ausstellung in der Deutschen Kinemathek in Berlin, die noch bis April läuft.
Fotos: Hajo Boldt
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