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Margarete Boie

geschrieben von Constanze Sörensen im Juni 2011

SCHRIFTSTELLERIN FERNAB VON SCHOLLEN - ROMANTIK UND HEIMAT - DICHTUNG

Als drittes von fünf Kindern erblickte Margarete Boie am 22. Oktober 1880 in Berlin das Licht der Welt. Ihr Vater, ein Offizier aus Danzig und Gouverneur des Festungsbereiches Thorn in Ostpreußen, starb 1896 überraschend, ein Jahr später zog die Mutter mit ihrer Familie nach Zoppot und von dort aus weiter nach Danzig. Hier trat Margarete Boie, ermutigt von einer Freundin, einer begabten Graphikerin, unter dem Direktor des Westpreußischen Provinzialmuseums, Hugo Conventz, ihren beruflichen Werdegang an.

Junge Menschen zieht es in die Fremde, und nicht anders erging es auch Margarete. Gemeinsam mit ihrer treuen Freundin Helene Varges ging es in den Westen, zunächst nach Emden und später dann nach Juist. Auf Helgoland schließlich ließen sie sich nieder, um für das Biologische Institut wissenschaftliche Zeichnungen anzufertigen. Nach Beendigung dieses Auftrages ging es weiter in die Stadt Lüneburg.

Es waren die „Lüneburgischen Anzeigen“, in denen Mar­garete Boie sich als junge Journalistin ihre ersten Sporen verdiente. Sie arbeitete unter dem damaligen Chefredakteur Dr. Corssen, mit dem und dessen Familie sie auch später noch eine innige Freundschaft verband. Es blieb nicht aus, dass die frischgebackene Journalistin in Lüneburg bald ­einen großen Bekannten- und Freundeskreis fand, darunter auch den Kunstmaler Lindemann, Herr von Salzwedel von der Regierung, und nicht zuletzt den damaligen Superintendenten Wachsmuth, in dessen Familie die beiden Freundinnen verkehrten. In Lüneburg, besonders durch ihre Arbeit an der Zeitung vor und im Ersten Weltkrieg, entschied sich für Margarete Boie der endgültige Eintritt in den literarischen Beruf, der ihr Bekanntheit und Ansehen bringen sollte. Längst war es zu damaligen Zeiten nicht selbstverständlich, dass sich eine Frau als Schriftstellerin verdingte, und schon gar nicht als selbstständige. Zwar hatte sie schon vorher kleinere Arbeiten veröffentlicht, doch die Geburtsstadt ihres ersten großen Romans war die Salzstadt. Es war im Jahr 1919, als die damals noch nicht 40-jährige Autorin diesen unter dem Titel „Die Kinder der fremden Frau“ veröffentlichte.

Die Liebe für das maritime Flair auf Juist und Helgo­land zog die Freundinnen jedoch erneut an die Nordsee. Auf Sylt fand Margarete Boie jene Inspiration, die ihr im urbanen Umfeld fehlten: die Weite, die Natur und die urwüchsige Seele des friesischen Inselvolkes. Ihre Beobachtungen verarbeitete sie zu ihrer großen Roman-Trilogie: „Der Sylter Hahn“ (1925), „Moiken Peter Ohm“ (1926) und „Dammbau“ (1930). Diese Sylter Geschichten, die einen Zeitraum von drei Jahrhunderten umfassen, machten sie zur geschätzten Dichterin der nördlichsten Insel Deutschlands. Die Periode der Grönland-Kommandeure, die Not der Inselfriesen, Strand und Watt, Seefahrt und Bau des Hindenburgdammes ebenso wie Einzel- und Gesamtschicksale, Glaube und Aberglaube, Liebe, Krieg und Tod vermochte sie mit unerhörter Anschaulichkeit zu schildern.

ie Kunst des Erzählens war offensichtlich ihre besondere Begabung, weit mehr als Schollen-­Romantik oder Heimat-Dichtung. Margarete Boie bevorzugte die sachlich genaue Darstellung und unternahm umfassende Recherchen. Ihre Sprache war eine zwanglose, frische, für eine Frau der damaligen Zeit eine beinahe schon burschikose. Zimperlichkeit lag ihr fern, ebenso Gefühlsduselei. Sie schilderte ebenso knapp wie anschaulich, und genau das ließ ihre Bücher die Zeit überdauern. In mehr als zehn Romanen verlieh sie ihrem literarischen Schaffen Ausdruck. Zu ihren Werken zählen neben der Sylt-Trilogie auch „Das köstliche Leben“ (1918), „Schwestern“ (1921), „Die treue Ose“ (1922), „Bo, der Riese“ (1923), „Waal, Waal“ (1926), „Die Müllerin von Tholensdeich“ (1933), „Eleonora Christine und Corfiz ­Ulfeldt. Der Lebensroman einer Königstochter“ (1936) und „Die Tagfahrt der Preußen“ (1942). Ihre langjährige Freundin Helene Varges übernahm meist die grafische Gestaltung.
Doch das sonst so heilsame Klima der Insel war für die Schriftstellerin und geborene Binnenländerin auf die Dauer nicht zuträglich. Ein Herzleiden zwang sie 1928, sich von Sylt und ihrer Freundin zu trennen. Die Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz führte sie an verschiedene Orte in West und Ost: Über Thüringen, Oldenburg und Erfurt gelangte sie nach Berlin, wo sie den Zweiten Weltkrieg bis zur Ausbombung erlebte. Sie suchte bei der Familie ihres Bruders in Böhmen Zuflucht, musste jedoch mit derselben wenig später schon nach Oberbayern flüchten. Auf Umwegen führte das Schicksal sie so wieder nach Lüneburg, wo sie wenig später, im Februar 1946, als 66-Jährige an einem Herzinfarkt starb. Auf der Grabstätte der Familie Wachsmuth auf dem Zentralfriedhof fand sie ihre letzte Ruhe.

Quelle: Constanze Sörensen
„Biographien Lüneburger Frauen“, 2005

Fotos: Wedemeyer, Manfred:
„Margarete Boie: Die Dichterin der Insel Sylt“, 1