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Lüneburgs Treffpunkt für Flugbegeisterte

geschrieben von Irene Lange im Juli 2016

„Kyffhäuser“ lautete der Deckname des einstigen Fliegerhorstes. Heute starten auf dem Flugplatz des Luftsportvereins Lüneburg e.V. LVL Motor-, Segelflug-, Ultraleicht-Flugzeuge oder Hubschrauber

Mit einem ersten „Hopser“ der Gebrüder Wright im Jahre 1903, der sie gerade einmal wenige Meter durch die Lüfte trug, nahm das motorisierte Flugwesen seinen Anfang. Fast ebenso lange hat das Fliegen auch in Lüneburg Tradition, denn schon wenige Jahre später, am 23. Juni 1911, wurde auf der Lüner Rennbahn eines der ersten Flugfelder Deutschlands eingerichtet und mit dem ersten Deutschlandflug als Etappenziel eingeweiht. Ein atemberaubender Anblick muss es gewesen sein, als das riesige Luftschiff „Hansa“ mit einer Länge von 155 m über dem Lüneburger Himmel auftauchte und auf jenem Flugplatz zur Landung ansetze. Die Begeisterung für das Fliegen zumindest mündete damals, am 25. September 1913, in der Gründung des „Luftfahrtvereins Lüneburg e.V.“ Der 1. Weltkrieg unterbrach mit gelegentlichen Landungen von Militärflugzeugen den zivilen Flugbetrieb, der erst ab 1920 wieder aufgenommen wurde. In den 30er-Jahren war das Fluggelände auch für das damalige deutsche Reich von Interesse – man nutzte Vereine, um Piloten für die Wehrmacht auszubilden. Ab dem 8. Oktober 1937 wurde der „Fliegerhorst Lüneburg“ auf dem seinerzeit etwa 105 Hektar großen Flugplatzgelände an der Dahlenburger Landstraße nach zweijähriger Bauzeit eingeweiht und durch verschiedene Verbände der Reichsluftwaffe belegt, darunter bekannte Jagdgeschwader wie „Die Grünberg-Jäger“ oder das „Löwengeschwader“. Der Deckname des Fliegerhorstes war damals „Kyffhäuser“.

Nach einem Bombenangriff wurde der große Hangar 1944 schwer beschädigt. Heute ist er längst wieder aufgebaut, in ihm hat die Instandsetzungskompanie der Bundeswehr eine Heimat gefunden. Die Luftstaffel der deutschen Wehrmacht wurde nach 1945 durch die englische RAF-Flotte abgelöst. Noch am 8. Mai landete zum Erstaunen der Männer von der Royal Air Force, die in jenem Moment auf den Sieg anstießen, noch eine Maschine mit dem Balkenkreuz der deutschen Luftwaffe auf dem Flugfeld. Den drei Männern der Besatzung wurden zwar die Wertsachen abgenommen, aber man ließ sie wohl laufen. Für deutsche Flugzeuge war es fortan ohnehin verboten, die Fluganlagen zu nutzen. 1947 gab es Erweiterungspläne, um Raum für Flugzeuge der Berliner Luftbrücke zu schaffen. In den Jahren 1946 bis 1948 übte die Royal Air Force auf dem Gelände den Segelflug aus. Die Vorboten des späteren Luftsportvereins mussten sich nach dem Krieg noch mit dem Flug von Modellflugzeugen zufrieden geben. Erst ab 1949/ 1950 war dann wieder der Luftsport erlaubt, und ab 1951 hieß es dann endlich „Hurra, wir dürfen wieder fliegen!“ Schon zuvor, am 22. November 1950, kam es zur Gründung des Vorkriegs-Nachfolgevereins, nun mit der Bezeichnung „Luftsportverein Lüneburg e.V. LVL“. Doch überschattete ein tragisches Ereignis die ersten Jahre des wieder aufgenommenen Flugbetriebes: Der Segelfluglehrer und 1. Vorsitzende des jungen Vereins, Rudi Rademacher, kam im Juni 1953 bei einem Absturz ums Leben. Der Ritterkreuzträger und Jagdflieger mit 126 Abschüssen war als „fliegender Schlachtermeister“ bekannt. Auch 1968 verunglückten zwei Lüneburger mit ihrem Sportflugzeug tödlich.

Doch seither hat es bis auf einige missglückte Landungen keine tödlichen Abstürze mehr gegeben. Mit einem „Zirkus am Himmel“ fand am 7. Juni 1959 die erste große Flugshow in Lüneburg statt. Fliegerische Glanzleistungen der Piloten zogen rund 40.000 Zuschauer in ihren Bann. Schon 1961 folgte der nächste Flugtag, der wiederum mit Begeisterung von der Bevölkerung aufgenommen wurde. Das Jahr 1975 stand schließlich im Zeichen des 25-jährigen Jubiläums des Luftsportvereins Lüneburg e.V. LVL, ein erfreulicher Anlass. Aber es war auch jenes Jahr, in dem ein Feuersturm über der Heide 5.500 Hektar Wald vernichtete und acht Feuerwehrmänner ihr Leben verloren. Seither verfügt nun auch Lüneburg über einen Feuerwehr-Flugdienst der Freiwilligen Feuerwehr zur Überwachung von Waldbränden.

Das erste Ultraleichtflugzeug kam 1987 nach Lüneburg. Auch der 1. Vorsitzende Richard Meier fliegt damit seit einigen Jahren, für ihn war das Fliegen schon ein Kindheitstraum. Er begann Ende der 70er, inspiriert durch Fernsehsendungen mit Drachenfliegen, kaufte sich ein solches Fluggerät und war an den Wochenenden immer unterwegs. Der Verwaltungsbeamte ist seit über 35 Jahren Vereinsmitglied, seit 17 Jahren im Vorstand — zehn Jahre als 2. und sechs Jahre als 1. Vorsitzender. Auch er erinnert sich noch gern an die Open-Air-Veranstaltungen auf dem Flugplatzgelände. Die erste fand 1990 im Jahr der Wiedervereinigung statt, mit Auftritten von Weltklassestars wie Tina Turner, Chris de Burgh oder Peter Maffay. Auch noch 1993 und 1995 waren große Stars wie Rod Stewart und Prince in Lüneburg zu Gast. Im Jahr 2000 gab es zum 50-jährigen Bestehen des Luftsportvereins Lüneburg LVL Glückwünsche des Oberbürgermeisters. Inzwischen jedoch ist der Flugplatz Lüneburg zum Politikum geworden, bedauert Richard Meier. Ohnehin sei die Fläche schon vor gut 30 Jahren drastisch verkleinert worden, weil die Stadt diese benötigt habe. Sämtliche beweglichen Gebäude mussten mit einem nicht geringen Aufwand durch die Mitglieder versetzt werden. Beschwerden über angebliche Lärmbelästigung bestünden schon seit Jahren. Um dem Argument entgegenzutreten, wurde inzwischen für einen besseren Lärmschutz die Landebahn mit Kunststoff- Gittermatten befestigt. Dafür kamen bei einer Sammlung Spendenmittel in Höhe von ca. 140.000 Euro zusammen. In über 2.000 Arbeitsstunden 16 quadrat 07-08 / 2016  zurück geblickt wurden schließlich 13.000 qm Matten durch die Mitglieder in drei Wochen Arbeit verlegt. Heute fl iegt auf dem Flugplatz alles mit einem Abfl uggewicht von maximal 2.000 Kilogramm, ob Motor-, Segelfl ug-, Ultraleicht-Flugzeuge oder Hubschrauber. Auch gewerbliche Luftfahrtunternehmen sind mit zwei Flugzeugen dabei, ebenso wie ein Anbieter von Hubschraubereinsätzen. Auswärtige Geschäftsleute landen bis zu 600 Mal im Jahr auf dem Lüneburger Flugplatz. Im Durchschnitt gibt es im Motorbetrieb insgesamt etwa 2.000 Starts und Landungen pro Jahr, was wiederum sechs bis sieben pro Tag ausmacht.120 aktive Mitglieder zählt der Verein zurzeit, vom Lehrling bis zum selbständigen Kaufmann. Hier versammeln sich fl ugbegeisterte Menschen, die sich wünschen, dass der Flugplatz auch weiterhin bestehen bleibt. 16 junge Leute im Alter von 14 bis 18 Jahren sind derzeit in der Segelfl ug-Ausbildung und werden durch ehrenamtliche Flug lehrer unterrichtet. Inhaber der Flugplatzerlaubnis ist die Stadt Lüneburg, mit der ein Betreibervertrag auf 25 Jahre geschlossen worden war. 2015 ist dieser ausgelaufen, eine Verlängerung gab es lediglich für fünf Jahre. Als Ausgleich zum entstehenden Renditeverlust für die Nutzung des Geländes zahlt der Verein an die Stadt nun jährlich 15.000 Euro. Den Mitgliedern entsteht dadurch eine höhere finanzielle Belastung, da dieser Betrag nur durch eine veränderte Gebührenstruktur gestemmt werden kann.

Wir sind von allen Fördertöpfen abgekoppelt, die normalerweise durch Kreis- und Sportbund einfließen“, erklärt Richard Meier; denn diese setzten eine 20-jährige Nutzungs­dauer voraus; man habe aber nur einen Fünf-Jahres-Vertrag, das bedeutet: keine Förderung!
Dennoch besteht die Hoffnung, dass auch nach 2020 von Lüneburg aus abgehoben werden kann. Vielleicht trägt das nächste große Flugplatzfest am 7. August dazu bei, dass die Akzeptanz für den traditionsreichen Lüneburger Flugplatz seitens der Stadt und der Bevölkerung erhalten bleibt. Denn das Fliegen übt noch immer eine große Faszination aus, und die „tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“ werden nach wie vor bewundert.(ilg)
Fotos: Sammlung Hajo Boldt, Irene Lange