Pfälzisch lecker
geschrieben im Dezember 2014Das Ohr isst mit. Ausdrücke wie „Dampnudle“, „hoorische Knepp“, „Schnellbällscher“ oder „Kerscheplotzer“ klingen nicht gerade appetitlich. Tatsächlich aber handelt es sich hier um schmackhafte Pfälzer Spezialitäten, die es nicht auf den Speiseplan der gehobenen Gourmetküche geschafft haben. Doch es gibt eine Ausnahme und die hat es in sich: der „Saumache“ – auf Hochdeutsch: Saumagen.
Jedes Kind in der Pfalz lernt schon in der Schule, weshalb die Pfalz Palz heißt. Die Legende erzählt folgende Sage: Als Gott und der Teufel um einzelne Landstriche gerungen haben, führte der Höllenfürst Gott auf einen Pfälzer Berg und zeigte ihm das Land. Die sanften Hügel und blühenden Felder, die Weinberge und am Horizont den silbernen Strom des Rheines. Als Gott dieser wunderschönen Landschaft ansichtig wurde, ging ihm das Herz auf und er strebte danach, diesen Landstrich für sich zu beanspruchen. Der dreiste Fürst machte folgenden Vorschlag: „Wenn Du niederkniest und mich anbetest, wirst Du in Zukunft der Herr über diese reizende Region sein“. Nach reiflicher Überlegung und unter Aufbringung seines ganzen Willens sprach der Herr zu ihm: „Bhalts“ – also „behalt es“. Dies führte im Laufe der Jahre und der Zeiten zu „Palz“. So kamen die Pfälzer zu ihrem Namen.
Der Saumagen gilt als das Pfälzer Nationalgericht schlechthin. Eine andere Legende besagt, er entstand im 18. Jahrhundert als Arme-Leute-Essen und wurde von Bauern erfunden, um Schlachtreste von Schweinen zu verwerten. Andererseits wird behauptet, die Herstellung des Saumagens, für den man die besten Zutaten verwende, sei in der Pfalz schon immer der Höhepunkt eines jeden Schlachtfestes gewesen. Vermutlich wurde er in der Westpfalz (Landstuhl und Umgebung) erfunden. Dokumentiert ist ein handgeschriebenes Rezept aus dem Jahr 1865. Auf der Sickinger Höhe wachsen traditionell erstklassige Kartoffeln („Pälzer Krumbeere“) und diese sind ein wesentlicher Bestandteil des gefüllten Saumagens. Weltbekannt wurde die Spezialität durch den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl, der seine Staatsgäste im pfälzischen Deidesheim mit Saumagen bewirten ließ.
Manfred Schwarz, seinerzeit Chef- und Sternekoch im „Deidesheimer Hof“, brachte freilich nicht nur Staatsgästen wie Margaret Thatcher, Michail Gorbatschow, Ronald Reagan und Francois Mitterand gehobene Pfälzer Kulinarik näher, sondern auch Pop-Stars wie den Rolling Stones. Jager und Co. mochten wohl ihren „Haggis“ – Schafmagen gefüllt mit Schafinnereien (inklusive Lunge – ein richtiger Brite lässt nichts verkommen) – nicht mehr sehen.
Der Saumagen ist ein Fleischgericht aus Schweinefleisch, Brät und Kartoffeln. Je nach Rezept gart man gepökeltes Schweinefleisch in Wasser und schneidet es anschließend in Würfel. Alternativ lässt man die Hälfte des Fleisches roh und fügt es der Wurstmasse zu. Wenn Zwiebeln verwendet werden, brät man diese vorher in Fett. Die Kartoffeln schneidet man in kleine Würfel, die dann balanciert werden; andere Rezepte empfehlen die Verwendung von durch den Fleischwolf gedrehten Kartoffeln. Typische Gewürze sind Salz, Pfeffer, Piment, Thymian, Lorbeer, Majoran und Muskatnuss bzw. Muskatblüte. Die Zutaten und Gewürze werden vermengt. Diese Masse wird in einen Schweinemagen gefüllt und dann gegart. Im Herbst kann man anstatt der Kartoffeln oder auch zusätzlich Maronen („Keschde“) in die Füllung geben. In der Regel wird Saumagen warm verzehrt, begleitet von Brot und Sauerkraut, entweder direkt nach der Herstellung oder nach erneuter Erwärmung. Aber Saumagen ist nicht gleich Saumagen: Für Abwechslung sorgt die Fleischer-Innung Südliche Weinstraße-Landau-Germersheim; diese ruft seit Anfang der 90er alle zwei Jahre zum Saumagenwettbewerb in Godramstein. Im November dieses Jahres war es wieder so weit: Metzger, Köche und Gastronomen aus der Pfalz, aus Baden-Württemberg, Hessen, dem Saarland und dem Elsass reichten 153 (!) Saumagen-Kreationen zur Begutachtung durch eine internationale Jury ein. Optisches Highlight war ein 63 Zentimeter hoher und 130 Kilogramm schwerer Saumagen in Form einer fünfstöckigen Hochzeitstorte. Das reicht für alle Verwandten und nahe stehenden Nachbarn. Das Fest kann kommen.(ra)
Foto: Flickr.com@hristianAllinger
Saumagen a la Helmut Kohl“ von Manfred Schwarz
1.500 g Schweinefleisch (Nacken und Schulter)
1.500 g Kartoffeln
1.500 g Bratwurstbrät
2 El Salz
½ TL Pfeffer
½ TL Muskat
1 TL Majoran
½ Koriander
½ TL Nelkenpulver
½ TL Thymian
½ TL Kardamom gemahlen
½ TL Basilikum getrocknet
Etwas Lorbeer geschnitten
50 g Zwiebeln gewürfelt
1 Saumagen (beim Metzger bestellen)
30 g Butterschmalz
Zubereitung:
Das Fleisch in grobe Würfel zerteilen. Die Kartoffeln schälen und in circa 1 cm große Würfel schneiden. Fleisch, Kartoffeln und Brät vermischen, mit der Gewürzmischung abschmecken. Saumagen unter fließendem kalten Wasser gründlich waschen, trockentupfen. Zwei Ausgänge mit Küchengarn fest zubinden. Die Füllmasse durch die dritte Öffnung geben und ebenfalls gut zubinden. Den Magen nicht zu prall füllen, damit er nicht platzt. Reichlich Salzwasser zum Kochen bringen, Hitze reduzieren. Saumagen in das Wasser geben und bei geringer Hitze drei Stunden garen, nicht kochen lassen! Saumagen aus dem Sud nehmen, abtropfen lassen und servieren. Erst am Tisch in Scheiben schneiden. Wer möchte, kann auch die Scheiben in einem Bräter in Butterschmalz anbraten und im auf 200 Grad vorgeheizten Backofen knusprig backen. Dazu gibt’s frisches Brot und Sauerkraut.
Saumagen für das Familienfest vom PWV (Pfälzer Wald Verein) Hainfeld – reicht locker für 24 Erwachsene und 22 Kinder
2.500 g Schweinebauch
2.500 g Schweinefleisch (Nacken und Schulter)
2.500 g Bratwurstbrät
6.000 g gequellte Kartoffeln
3 Stangen Lauch in dünnen Ringen
250 g Zwiebeln in kleinen Würfeln
13 Eier
8 getrocknete Brötchen
Fondor (nach Geschmack)
Salz
Pfeffer
Majoran
Knoblauch (nach Geschmack)
3 bis 4 Saumägen (je nach Größe)
100 g Butter
Zubereitung:
Butter in einem großen Topf zerlassen, darin die Zwiebeln und den Lauch leicht andünsten und circa 15 Minuten schmoren lassen; zur Seite stellen und auskühlen lassen. Schweinebauch, Schweinefleisch, Brät mit den Gewürzen, den eingeweichten Brötchen und den Eiern gut vermengen, dann das gedünstete Gemüse und die Kartoffeln untermischen; kräftig mit Salz, Pfeffer und Majoran abschmecken, da die Gewürze beim Sieden etwas nachlassen.
Die fertige Füllung in den Magen geben und darauf achten, dass der Magen nicht zu prall gefüllt ist. Den Magen mit Küchengarn zusammenbinden; in siedendem Salzwasser circa 3,5 Stunden garen. Die Saumägen müssen während des Garungsprozesses immer schwimmen. Das Wasser darf während der Garzeit nicht kochen, damit die Mägen nicht platzen.
Weitere Artikel:
Bardowicker Gesäßhuldigung
Brutzeln und kochen für den Denkmalsc...
Frieden war das schönste Geschenk
Willkommen im Katzenparadies
Plötzlich scheinreich
Trabis, Tränen und eine Stadt im Taum...
Wie geht eigentlich Kunst?
Bruchbuden gegen den Wohnraum-Mangel
Auf der Lüneberger Heide?
„Der Sturm“ wird ein Bühnen-Orkan
Der Hochzeitstag ist auch nur ein Datu...
Re(h)agieren Sie rechtzeitig
Ein Tag für Ja-Sager
Gehen Sie doch einfach mal am Stock...
Oase des Glücks
Die Kampfkunst des Mittelalters
Wie böse ist die Schlange wirklich?
Per App auf Zeitreise
Rule Brexitannia
Suchbild des Monats September 2019
Lüneburg Aktuell
Lüneburg Aktuell
Heute schon lesen was morgen in der Zeitung steht
Veranstaltungskalender
Mittagstisch
Kleinanzeigenmarkt
http://www.lueneburgaktuell.de/