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Kulinarische Landlust

geschrieben von Natascha Mester im November 2011

FLEISCHES LUST UND VEGETARISCH-KULINARISCHE BEGEHRLICHKEITEN WERDEN IM ALTEN HAUS AUFS FEINSTE BEDIENT

Das Alte Haus in Jameln ist — wenn man so will — ein Familienerbstück. In den Sechzigern war es das Ferienhaus der Hamburger Familie Behning; im Jahr 1985 gab es Vater Behning frei — für seinen Sohn Christian und die Umsetzung eines Traumes. Und dieser – vor 26 Jahren wahr geworden — füllt das alte Gemäuer noch heute mit Leben.

Für Christian Behning war das Reet gedeckte Haus ein Elternhaus auf Zeit. Es verband ihn mit dem kleinen Rundlingsdorf im Wendland und mit den Menschen, die hier lebten. Später, als sein Beruf ihn stetig an einen anderen Ort in Deutschland trieb, immer dorthin, wo in einer der Apotheken eine Inventur fällig wurde, kam die Sehnsucht nach Sesshaftigkeit. Des Lebens aus dem Koffer überdrüssig war auch seine Mitarbeiterin Henriette Dufresne, die er in dieser Zeit kennen und lieben lernte. Sie wollten irgendwo bleiben, wenn möglich für immer.

Als Henriette Dufresne und Christian Behning das Haus 1985 übernahmen, gab es bereits einen großen Kundenstamm bestehend aus Freunden und gute Bekannten, die schon früher an den Wochenenden vorbeikamen, um gemeinsam zu feiern. Sie brachten Freunde mit, die die Kneipe – denn mehr sollte es ursprünglich nicht sein – bevölkerten. Man saß gesellig am überdimensionalen Kamin im Schankraum beisammen, trank guten Wein und klönte. Der Wunsch nach Gegrilltem wurde laut – der offene Kamin bot sich an. Über gastronomische Erfahrungen oder nennenswerte Kochkünste verfügten weder Christian noch Henriette. Nichts anderes als „learning by doing“ war es damals, was dann folgte, schmunzeln die beiden Inhaber.

Dass hier offensichtlich verborgene Talente geweckt worden waren, zeigt der Erfolg. Heute ist das Alte Haus für seine Grillspezialitäten weit über die regionalen Grenzen hinaus bekannt. Chefkoch Behning steht selbst am offenen Holzfeuer des Kamins und „betreut“ mit viel Ruhe seine Lammracks, die Ribeye-Steaks oder Lammkoteletts. Bevor das Hauptgericht butterweich und auf den Punkt rosa gegart den Rost verlässt, darf der Gast sich am Antipasti-Buffet gütlich tun: Tipp Nummer eins: Vergessen Sie alles, was sie bisher an Antipasti genossen haben. Hier kommt eine Auswahl, die an saisonaler und oft regionaler Frische, Ideenreichtum und wunderbarer Geschmacksvielfalt einzigartig ist: Fein abgeschmeckter Linsensalat, karamellisierte Möhren mit frisch geriebenem Ingwer, Austernpilze mit Parmesankruste oder ein frischer Salat aus erdiger Roter Bete sind nur einige der Vorspeisen, die in diesem Herbst Saison haben. Tipp Nummer 2: Halten Sie Ihre Begeisterung im Zaum und schwelgen Sie nur verhalten, auch wenn’s schwer fällt, denn das Hauptgericht kommt in schönen Portionen daher, die – nicht zu viel und nicht zu wenig — jeden hungrigen Magen satt machen. Der Geschmack ist unnachahmlich gut, jede einzelne Zutat ist in ihrer wunderbaren Eigenart zu schmecken: Ungeschminkt und authentisch könnte man die Küche von Henriette Dufresne und Christian Behning bezeichnen. Ihrem Geburtsland Dänemark räumt die charmante Inhaberin übrigens stets ein Plätzchen auf der Speisekarte ein. Die beiden Heringsspezialitäten Sildemad und Kryddersild dürfen nicht fehlen.

TROTZ HOHEN ANSPRUCHS SCHAFFT MAN IN DIESEM RESTAURANT DEN SPAGAT ZWISCHEN HERVORRAGENDER KOCHKUNST UND UNGEZWUNGENER ATMOSPHÄRE.

Trotz des hohen Anspruchs schafft man in diesem Restaurant den Spagat zwischen hoher Kochkunst und ungezwungener Atmosphäre. „Jeder hat wohl eine Idealvorstellung davon, wie ein Restaurant sein sollte“, erzählt die gebürtige Dänin. „Es gibt gewisse Räume, die eine besondere Atmosphäre versprühen, die eine Seele haben, die einladen zu Kommunikation und zum Genießen. Doch lässt sich diese nicht herstellen, sie muss wachsen. Das haben wir in etwa zehn Jahren geschafft.“

Die weißen, gestärkten Tischdecken scheinen daher das einzige Relikt einer „Haute-Cuisine-Restauration“ zu sein. Das dunkle Fachwerk, die von Feuer und Rauch nachgedunkelte Farbe der Lehmwände, die am Deckenbalken reifenden Würste und die mitunter provokante moderne Kunst sind ein bewusster und wunderbarer Stilbruch. Von Donnerstag bis Sonntag sind Gäste in diesem besonderen Haus willkommen – der Rest der Zeit wird damit verbracht, den Standard zu bewahren. „Gute Küche braucht viel Zeit“, antwortet Henriette Dufresne auf meine Frage, weshalb es Ähnliches so selten gäbe.

Von den beiden ist sie die Bodenständige, der ruhende Pol, berichtet sie. Ihr Mann Christian braucht hingegen öfter mal eine neue Herausforderung. Bis vor wenigen Jahren züchtete er noch englische Rosen; aktuell widmet er sich seinen Mangaliza- Schweinen, auch Wollschweine genannt, die seit kurzem auf einem nahen Hof beheimatet sind und später einmal zu einer würzigen, luftgetrockneten Salami „made im Alten Haus“ verarbeitet werden sollen. Bis dahin haben sie mindestens ein Jahr Zeit, um auf der Wiese Fleisch anzusetzen.

Nach wie vor versammelt sich an diesem Ort ein buntes Völkchen aus Kunst- und Kulturschaffenden, aus Dichtern und Denkern und Menschen wie „du und ich“. Eines der kreativen Projekte, die hier beim Wein entstanden sind, ist das beachtenswerte Wendland-Magazin „Landluft“, das einmal im Jahr erscheint und dessen Verleger Christian Behning ist. Von Zeit zu Zeit liest im Alten Haus jemand aus einem gerade veröffentlichten Werk, jemand macht Musik oder ein Künstler hängt seine Arbeiten in den Räumen aus; alles ganz ungezwungen, ganz ungeschminkt – so, wie die Küche des Alten Hauses in Jameln und wie seine beiden herzlichen Betreiber Henriette Dufresne und Chris tian Behning, die ihr „Familienerbstück“ mit ihrem freundlichen Charme erfüllen. (nm)

Das Alte Haus Bahnhofstr. 1 29479 Jameln Tel.: (05864) 608 www.jameln.de Öffnungszeiten: Do. – So. ab 18.00 Uhr

FOTO: ENNO FRIEDRICH