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Kräht das türkische Hähnchen türkisch?

geschrieben von STEFAN PIONTEK im Mai 2011

SCHEINBAR ANDERS ALS DER DEUTSCHE HAHN

Was ist das: Lebt auf dem Bauernhof und macht „Kikeriki“? Klar, der Hahn. Aber wussten Sie, dass er nur in Deutschland „Kikeriki“ macht, in anderen Ländern dagegen „Cock-a-doodle-doo“ oder „Ü-ü-rü-üüü“? Unschwer zu erraten, wo der Hahn mit geschwollenem Kamm „Ü-ü-rü-üüü“ kräht: In der Türkei natürlich, wo sich der Buch stabe „Ü“ einer besonders großen Beliebtheit erfreut – mit 1,79 Prozent ist eine Häufigkeit im Türkischen fast dreimal so hoch wie in der deutschen Sprache (rund 0,6 Prozent).

Natürlich kräht der türkische Hahn in Wahrheit nicht anders als der deutsche. Das „Kikeriki“, „Cock-a-doodle-doo“ (das sagt übrigens der Brite) und „Ü-ü-rüüüü“ ist der Versuch des Menschen, ein Geräusch mithilfe der Sprache zu imitieren. Das nennt sich Lautmalerei oder Onomatopoesie. Bei den so gebildeten Wörtern wird ein Geräusch nicht unter Einsatz aller artikulatorischen Möglichkeiten der Stimme möglichst wirklichkeitsgetreu nachzubilden versucht, sondern im Rahmen des in der jeweiligen Sprache vorgegebenen Laut-Inventars. Deswegen ähnelt eine Lautmalerei stets beidem etwas – dem Geräusch, das sie nachbildet, und der Sprache, in der sie gebildet wird: „Kukurigu“ (Serbisch), „Ko-Ke-Ko-Ko“ (Japanisch), „Cocorico“ (Französisch), „Koo-kah-rehkoo“ (Russisch) bis hin zum schnörkellosen „O-o-o“ (Chinesisch). Natürlich verhält es sich mit den anderen Tierlauten ganz ähnlich: Die Kuh macht „Mööö“ (Türkisch), „Bu“ (Ungarisch) oder „Um-mae“ (Koreanisch), die Ente „Kác kác“ (Tschechisch), „Coin-coin“ (Fran zösisch) oder „Prääks prääks“ (Estnisch), und der Hund bellt „Guau-guau“ (Spanisch), „Mung-mung“ (Koreanisch) oder „Ouaf-ouaf“ (Französich). Ganz zu schweigen vom quakenden Frosch, der zirpenden Grille, dem Auto mit seiner Hupe und besonders dem Kuckuck, der ja gleich komplett so heißt, wie er klingt. Sprachwissenschaftlern zufolge entwickelte der Mensch einst sogar die Sprache an sich, indem er die Welt lautmalerisch nachbildete. Kleinkinder machen das nach wie vor so — allerdings nicht immer mit demselben Ergebnis. Der deutsche Dreikäsehoch schreit „Aua“, wenn er sich wehtut; sein französischer Altersgenosse „Aie“. Der eine niest „Hatschi“, der andere „Atchoum“. Ganz interkulturell und in jeder Sprache gleich ist wohl nur eine Schlägerei mit Batman und Robin: „Crash“, „Boing“, „Peng“!

ILLUSTRATION: CHARLY

Tierisches Sprachgewirr… Wenn der Hahn kräht, tut er dies in seiner Landessprache folgendermaßen:

Deutsch: Kikeriki Englisch: Cock-a-doodle-doo Spanisch: Ki-Ki-ri-ki Türkisch: Ü-ü-rü-üüü Serbisch: Kukurigu Japanisch: Ko-he-ko-ko Italienisch: Chircchirichi Französiche: Cocorico Koreanisch: Cokiyo Chinesisch: O-o-o Russisch: Koo-kah-reh-koo Polnisch: Kukuryku Tschechisch: Kikiriki Griechisch: Kukuriku

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