Munawar Ahmad Khan
geschrieben von André Pluskwa im Juli 2011IM GESPRÄCH MIT EINER LÜNEBURGER GRÖSSE
ie glauben, Sie kennen Munawar Ahmad Khan nicht? Nun, wenn Sie in Lüneburg ausgehen, sind Sie ihm mit ziemlicher Sicherheit schon einmal begegnet. Vielleicht hat er Sie, als Sie mit Ihrer Liebsten zu Tisch in Ihrer bevorzugten Lokalität saßen, angesprochen. Und vielleicht haben Sie mindestens eine Rose von ihm erworben, um diese in einem Anfall heilloser Romantik an Ihre Partnerin (in spe) weiterzureichen, und mit ziemlicher Sicherheit war diese doch recht angetan von jener Geste. Merke: Wer Blumen sprechen lässt, dem hören (und fliegen) die Herzen zu, war immer so.
Herr Khan weiß das und hat daraus seine Berufung gemacht — vor 25 Jahren schon, wobei aller Anfang schwer war. Munawar Ahmad Khan erzählt: „Ich bin Ahmadiyya Muslim, das Credo unseres Glaubens ist „Liebe für alle, Hass für keinen.“ 1986 bin ich aus Pakistan, wo mir aufgrund meiner Religion eine dreijährige Haftstrafe auferlegt wurde, nach Deutschland gekommen. Zuerst war ich in Helmstedt, dann ging es, weil ich in Hamburg Verwandte hatte, in die Nähe der Hansestadt, nach Lüneburg. In Hamburg hatte ich die Rosenverkäufer gesehen, da dachte ich, das mache ich auch und legte zwei Wochen später los. Natürlich wurde mir dann erst einmal von einem Sozialarbeiter gesagt, dass ich einen Gewerbeschein bräuchte. Den bekam ich aber nicht ohne entsprechende Genehmigungen und Aufenthaltserlaubnis. Also arbeitete ich als Aushilfskraft, bis 1992 eine Gesetzesänderung zu meiner dauerhaften Aufenthaltserlaubnis führte; nun konnte ich mich als Rosenverkäufer selbstständig machen. Für ihre Unterstützung bin ich den zuständigen Mitarbeitern der Lüneburger Behörden bis heute dankbar. Ohne sie wäre das nie möglich gewesen, nie hätte ich ohne ihre Hilfe hier heimisch und beruflich erfolgreich werden können.“

„Nie vergessen: Liebe für alle, Hass für niemanden!“
Ich treffe Herrn Khan bei ihm zuhause in Deutsch Evern. Nur die Kleidung seiner Frau, die bunten Kissen auf dem Sofa und einige religiöse Artefakte geben Auskunft über den Kulturkreis, aus dem er ursprünglich stammt; ansonsten könnte ich mich auch in der guten Stube meiner Eltern wähnen, stelle ich schmunzelnd fest. Der jüngste Sohn, derzeit im Referendariat, schneit herein — bald sind alle fünf Kinder ausgezogen, das Haus ist Herrn Khan und seiner Frau zu groß geworden, sie wollen umziehen, näher zur Stadt. „Alle Nachbarn sagen, dass sie deswegen traurig sind und uns vermissen werden“, erzählt er und ich male mir aus, wie Herr Khan am Wochenende über den Gartenzaun die Nachbarn auf seine unnachahmliche Art unterhält – mit seinem ihm eigenen unvergleichlichen Charme, der sicherlich auch dazu beigetragen hat, dass er sein Gewerbe so erfolgreich ausführen konnte.
„Ich werde oft gefragt, wie man denn mit dem Verkauf von Rosen eine Familie ernähren kann“, resümiert er; „denen erkläre ich dann, dass das echte Arbeit ist, jede Nacht unterwegs sein, nur wenig Schlaf und gleich wieder hoch, zum Großmarkt. Ein Knochenjob. Bis 2009 habe ich so gut wie nie einen Tag frei gehabt, schon gar nicht an Sonn- und Feiertagen. Ich arbeite in der Woche von etwa 19 Uhr bis Mitternacht, am Wochenende bis fünf in der Frühe. Ich habe Stammkunden und entsprechende Strecken. Um diese nicht zu enttäuschen, sondern sie in ihrem Restaurant auch anzutreffen, bin ich bei Wind und Wetter unterwegs.“
Auf die Frage nach dem Verdienst schweigt er höflich, stellt aber klar: „In all den Jahren musste ich nie zum Arbeitsamt oder Wohngeld oder andere Unterstützung beantragen, sondern konnte uns immer ernähren. Nur in den letzten beiden Jahren ist es schwerer geworden, auch ich merke, wie auch die anderen Branchen, dass man nicht mehr so leichtfertig Geld ausgibt. Dass eine Frau am Tisch gleich, wenn mich ihr Mann heranwinkt, kategorisch ablehnt, um ihren Mann nicht in finanzielle Bedrängnis zu bringen, wo er sie doch bereits zum Essen eingeladen hat, das hat es damals nicht so häufig gegeben wie jetzt. Es gab Zeiten, beispielsweise auf dem Stadtfest, da brauchte ich nur ein Festzelt betreten, und innerhalb kürzester Zeit hatte ich zwei bis drei Sträuße verkauft — ein Strauß umfasst immerhin 60 Rosen!“
Gibt es denn auch Lokalitäten, in denen er nicht gern gesehen ist?
„Nein, gar nicht. Es hat einmal eine Situation in einem Restaurant gegeben, dessen Namen wir alle kennen. Als es neu eröffnete und ich hineinkam, wurde ich von einer Angestellten gebeten, wieder zu gehen. Dabei erkannten mich allerdings ein paar der Eröffnungsgäste. Der erste Gast orderte eine Rose für jede Dame an seinem Tisch, und einige andere Herren taten es ihm gleich. Seitdem liegt auch dieses Restaurant auf meiner Strecke.“
Tatsächlich ist Herr Khan so etwas wie eine Berühmtheit. Radio, Zeitung und Fernsehen sind kein Novum für ihn, er betrachtet das immer wiederkehrende Interesse um seine Person mit einer Mischung aus Stolz auf seine gute Arbeit und Belustigung. Immer wieder: sein Humor, seine Fröhlichkeit. Es ist ein wahrer Gewinn mit ihm ins Gespräch zu kommen, nachts auf der Piste, und ihm zuzuhören, wenn er aus seinem Leben als Rosenverkäufer erzählt – wobei Diskretion ein wichtiger Teil seiner Arbeit ist. Herr Khan gehört zu jenen „kleinen“ Leuten, die viel mitbekommen aus dem Leben derer, die in Lüneburg schalten und walten. Ergo winkt er freundlich ab, als ich ihn um Geschichten bitte — „wenn ich eine erzähle, muss ich alle erzählen. Und wenn ich alles erzähle, dann würden morgen viele geschieden!“ Er lacht und sagt, als er mich zur Tür bringt: „Nie vergessen: Liebe für alle, Hass für niemanden!“(ap)
Fotos: Enno Friedrich
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