Eine große Tradition des Mittelalters
geschrieben von Elke Schneefuß im März 2011DIE HEILIGENGEISTSTRASSE IN LÜNEBURG
Sie ist eine der ältesten Verbindungswege von der ehemaligen Lüneburger Saline zum Platz Am Sande: die Heiligengeiststraße. Ihren Namen verdankt sie dem ehemaligen Hospital zum Heiligen Geist, das heute eine Grundschule, Altenwohnungen und das Seniorenservicebüro der Stadt beherbergt. Mittelalterliche Krankenhäuser, die den Namen des Heiligen Geistes trugen, gab es übrigens seit dem achten Jahrhundert in ganz Deutschland. Sie verdanken ihre Entstehung den Kreuzzügen: Die immer häufi ger werdenden Wallfahrten der Gläubigen zum Heiligen Grab Jesu gaben den Anlass zum Aufbau von Pilgerhäusern, in denen kranke und mittellose Kreuzpilger und auch andere Reisende aufgenommen und verpflegt wurden. Auf diese Weise legten die ehemaligen Pilgerhäuser den Grundstein für die ersten sozialen Einrichtungen des Mittelalters in Sachen Kranken- und Altenpfl ege. Das Lüneburger Hospital wurde im 14. Jahrhundert gegründet und im 16. und 18. Jahrhundert erneuert und erweitert. Es erhielt auch eine eigene Kapelle, die Mitte des 19. Jahrhunderts aber abgebrochen wurde. Von der alten Anlage ist heute nur noch sehr wenig zu sehen — auffallend ist der schlanke Glockenturm auf dem Gebäude, der 1860 die Sonntagsglocke der benachbarten St. Lambertkirche erhielt, als die Kirche wegen Baufälligkeit abgebrochen wurde. Der Bau der St. Lambertikirche begann neueren Bodenuntersuchungen zufolge bereits im 13. Jahrhundert.
Dies
zeigt den mittelalterlichen Reichtum der Stadt, die gleichzeitig noch an
ihrer St. Johanniskirche, dem Rathaus und der Stadtbefestigung bauen
ließ. Lüneburg ist in dieser Zeit dank des Salzhandels eine Art „Boomtown“
des Nordens. Dass die Lambertikirche die Jahrhunderte nicht überdauern
würde, war allerdings schon früh erkennbar: Bereits zu Beginn der
Baumaßnahmen war der Untergrund der Kirche gefährdet, so dass man
sich 1860 entschloss, sie ganz abbrechen zu lassen.
Das Uhrwerk dieser
Kirche schlug allerdings noch bis Mitte der fünfziger Jahre im Glockenturm
des Hospitals in der Heiligengeiststraße. Danach wurden Glocke und
Uhrwerk im alten Kaufhaus am Stintmarkt eingelagert, wo beides einer
Brandstiftung zum Opfer fiel.
Ein Stück weiter stadteinwärts findet sich auf der rechten Seite in der
Heiligengeiststraße Nummer 41 das Kronen-Brauhaus. Seit 1484 wurde
hier Bier gebraut – die Heiligengeiststraße war mit ihren etwa 80 Braustätten
das Zentrum der Lüneburger Bierbrauer. Im 15. Jahrhundert begründete der Bürger Thomas Lampe in diesem besonders schönen Backsteinbau
eine Brauer-Dynastie, die die folgenden Jahrhunderte überdauerte
und unter dem Namen Lüneburg Kronen-Brauerei zu Bekanntheit
und Ansehen gelangte. Im 19. Jahrhundert wurde sie vom Lüneburger Kaufmann
Hermann Möllering betrieben, die dieser erstmalig zu einem kleinen
Industriebetrieb mit eigener automatisierter Produktionsstätte ausbaute.
HEUTE FINDET MAN HIER EINE VIELZAHL INDIVIDUELLER GESCHÄFTE, DIE SICH DEM SCHÖNEN VERSCHRIEBEN HABEN.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Unternehmen dann Aktiengesellschaft,
bevor der Gebäudekomplex gleich nach dem Ende des Ersten
Weltkriegs restauriert wurde. 1974 übernahm die Hamburger Holsten-
Brauerei AG den gesamten Komplex, der heute als bedeutendes Industriedenkmal
gilt. Bis in die Achtzigerjahre hinein wurde dort noch das bekannte
Kronen-Pils gebraut. Inzwischen gehört die Gaststätte im Erdgeschoss
des Hauses zur Seminaris Hotel- und Kongressstätten Betriebsgesellschaft.
Lüneburgs gute Stube befi ndet sich noch immer hier: In der
prachtvollen Kronen-Diele, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts renoviert
wurde, wird noch heute festlich gespeist und gefeiert.
Auf dem Hof des Gebäudeensembles in der Heiligengeiststraße
Nummer 41 befindet sich übrigens seit
1985 das Lüneburger Brauereimuseum (geöffnet
dienstags bis sonntags von 13 Uhr bis 16.30 Uhr).
Es ist das einzige seiner Art in Norddeutschland
und zeigt unter anderem eine Galerie bedeutender
Trendgefäße vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Auf
vier Stockwerken werden außerdem in dem ehemaligen
Sudhaus der Brauerei neben den alten Braukesseln
auch Gerätschaften aus dem Handwerk des
Bierbrauens präsentiert.
Heute ist die Heiligengeiststraße längst nicht nur
ein Treffpunkt für Hungrige und Liebhaber des
Gers tensaftes. Einzelhandelsketten findet man hier
nicht, dafür eine Vielzahl kleiner individueller Ladengeschäfte,
die sich dem Schönen verschrieben
haben. Ausgesuchter Schmuck ist hier ebenso vertreten
wie Interieur und Wohndesign. Ein Abstecher
in diese Straße lohnt sich immer, sei es, um
auf ruhigeren Wegen das Besondere zu suchen oder
um altehrwürdige Lüneburger Giebelarchitektur zu
bestaunen. (es)
FOTOS: ENNO FRIEDRICH; ARCHIV: HAJO BOLD
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