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Backen wir’s an!

geschrieben von Rüdiger Albert im Juli 2012

Vom Grundnahrungsmittel zum Lifestyle-Produkt: Brot ist längst salonfähig – nicht nur bei Spitzenkoch Johann Lafer

Ich zweifele daran, dass einer, der eine Scheibe gutes Brot mit Butter und Schnittlauch nicht schätzt, viel Verständnis für das Essen überhaupt entwickeln kann.“ Der Mann, der das sagte, trägt keine Bäckerhose in Schwarz-Weiß-Pepita, er trägt Mütze und heißt Johann Lafer. Der Fernsehkoch und Chef vom „Val d’Or“ muss es wissen, denn unter seinem Namen wurde noch bis Mitte letzten Jahres ein Treffbrot (Treff ist Zwerghirse aus Äthiopien) von der Wiener Feinbäckerei Heberer bundesweit verkauft. Die Wiener Feinbäckerei unterhält über 450 Filialen und gehört mit Kamps und Steinecke zu den großen Back-Filialisten hierzulande.

Morgens um drei ist die Nacht vorbei. Dann zieht sich der Bäcker eine karierte Hose an, begibt sich in die Backstube und bearbeitet mit geschickten Händen den vorbereiteten Teig. So war das früher. Aber die Welt des Bäckers hat sich verändert.
Von Lounge-Stil, Wohlfühlatmosphäre und der Erlebniswelt Bäckerei ist inzwischen die Rede. „Frontbaking“ nennt man das Neudeutsch. In Großstädten dominieren die Back-Shops – so genannte Schnellbäcker. Allein in Berlin gibt es 800 davon.

Laut ägyptischer Sage erschuf Gott Osiris die Landwirtschaft und seine Frau Isis machte das erste Brot aus Gerste und Weizen

Wie wichtig den Deutschen das Brot ist, zeigt ein Blick in die Statistik: Jeder Bundesbürger verzehrt pro Jahr mehr als 80 Kilogramm und kann dabei aus einem reichhaltigen Angebot schöpfen. In keinem anderen Land der Welt ist die Vielfalt der Backwaren so groß: 1.200 Sorten Brötchen, Hörnchen, Brezeln und Stangen sowie mehr als 300 verschiedene Brotsorten kommen täglich frisch duftend auf die Frühstückstische, werden als ­Zwischenmahlzeit verzehrt oder sind Grundlage eines herzhaft-kernigen Abendbrots.

Während die Kunden im Osten der Republik saftig-würzige Roggenbrote bevorzugen, greift man im Norden gern auf Schwarzbrot zurück. Die Süddeutschen bevorzugen hellere Teigwaren wie das Schwaben- oder Frankenbrot.

Das Grundnahrungsmittel Brot hat eine lange Geschichte. Laut ägyptischer Sage schuf der Gott Osiris die Landwirtschaft und seine Frau Isis machte Brot aus Gerste und Weizen. Die Griechen übernahmen das Brotbacken von den Ägyptern und verfeinerten die Technik. So waren denn auch die ersten professionellen Bäcker in Rom griechische Sklaven. Am Ende des Römischen Reiches genoss der Beruf sogar Beamtenstatus, weil der Versorgung der Bevölkerung mit Brot eine so große Bedeutung beigemessen wurde. Dann fielen die germanischen Vandalen vor rund 1.500 Jahren in Rom ein, die ernährten sich noch hauptsächlich von Grütze – und so setzte in Europa eine Rückentwicklung in Landwirtschaft und Lebensmitte­erzeugung ein. Das Wissen um Getreideanbau, Mahlen und Backen überlebte nur in großen Klös­tern, in Frankreich taucht der Beruf des Bäckers erst anno 1260 mit einer königlichen Charta wieder auf – und mit dem Zunftwesen verbreitete sich die Brotkultur allmählich wieder. Etymologisch bezeichnet Brot ursprünglich das Gegorene; das kann mit Bierhefe, Weinhefe oder Sauerteig geschehen. Letzterer wird traditionell besonders bei Roggenbrot verwandt: Durch spontane Hefegärung eines Ansatzes von Mehl und Wasser bilden sich Milch- und Essigsäurebakterien, die den Teig lockern und geschmacklich bestimmen.
Der Spaß fängt freilich schon bei der Wahl des Mehls an. Es gibt Varianten des weißen Pulvers. In jedem Haushalt findet sich Qualitätsweizenmehl der Type „405“, damit kann man auch Brot backen. Spannender wird es aber mit anderen Typen. Hinter „1050“ verbirgt sich ein Weizenmehl, das in Mischbrote gelangt. „815“ bezeichnet das hellste Roggenmehl mit sehr wenig Schalenresten, „1890“ ist Roggenbackschrot.

Die Herstellung und Verarbeitung des wertvollen Rohstoffs erfordert viel Sachkenntnis

Die Wahl der Mehltypen entscheidet mit über die Bekömmlichkeit des Brotes. Aber diese Frage muss jeder Bäcker — auch jeder Hausbäcker — selbst entscheiden. Dazu sind außer Mehl und Wasser vor allem Zeit, Ruhe und Sorgfalt wichtig. Zumindest für Profis heißt dann Bäcker sein eben doch wieder aufstehen, wenn andere gerade erst nach Hause kommen. Die Herstellung und Ver­arbeitung des wertvollen Rohstoffs erfordern viel Sachkenntnis und eine gehörige Portion Fingerspitzengefühl – so wie es offensichtlich die Bäckerei Gaues mit Sitz in Hannover beweist. Backwaren aus diesem „Traditionshaus“ waren letztes Jahr sogar „Spiegel online“ eine Meldung wert: „Der Traditionsbäcker Jochen Gaues aus Hannover liefert fünfmal die Woche hochwertige Brote und Brötchen nach Berlin, unter anderem an das Luxushotel ­Adlon und das Schloss Bellevue“. Der zurückgetretene Bundespräsident Christian Wulff und seine Familie wollten wohl nicht auf ihre Brötchen aus Hannover verzichten. Gaues beliefert darüber hinaus „nach eigenen Angaben“, wie das Magazin schreibt, „drei von neun deutsche Häuser, die drei Michelin-Sterne haben.“ Kein Wunder, denn eine große Zahl von Backwaren werden mit allerlei umtriebigen Hilfsmittel versetzt; viele Bäcker mischen Treibmittel bei, um das Volumen zu erhöhen, Emulgatoren, um das Wasser optimal mit dem Fett zu verbinden, Farbstoffe für den Vollkorn-Appeal, Konservierungsstoffe gegen die Schimmelbildung und nicht zuletzt Stabilisatoren, die das aufwendige Sauerteigverfahren ersetzen. Der Brotkauf ist Vertrauenssache geworden.
Die Geschicke dieser Bäckerei waren im März letzten Jahres den Gazetten dann wieder eine Meldung wert: „Die Kundschaft war illuster: Wulff, die Fußballnationalmannschaft und sogar Filmstar Leonardo DiCaprio sollen hier ihre Brötchen bestellt haben“, schrieb die „Hamburger Morgenpost“. Weiter: „Nach Feststellung des Amtsgerichts Hannover steckte in den Dichtungen der Kühlschränke Schwarzschimmel, über dem Kuchen schwebten von toten Tieren übersäte Fliegenfallen und der Boden war verdreckt und verfettet. Wegen drei gravierender Hygienemängel ist die Bäckerei“ dann zu einer Geldstrafe von 14.000 Euro verurteilt worden.

Tja, wie steht’s nun mit den Backwaren in der gehobenen Gastronomie? Gerald Zogbaum, Chef von der „Küchenwerkstatt“ in Hamburg-Uhlenhorst, reicht nach Amuse-Gueule, dem kleinen Gruß aus der Küche zum Auftakt des Essens, Olivenbrot mit Olivenöl und Meersalz; oder Sauerteigbrot mit ­Joghurtbutter; oder auch Meersalzbrötchen; „jeden Tag wird Brot gebacken“, war da zu hören. Aber Rezepte werden nicht verraten, „auch nicht an Stammgäste, auch nicht im Backkurs.“
Johann Lafer, Patron der Stromburg mit dem Res­taurant „Le Val d’Or“, backt „nur noch teilweise“ Brot und Brötchen selbst. „Wir brauchen zuviel“, lautet sein kurzes Statement. Mit seinen Rezepten freilich ist er freigiebig.(ra)
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Rezept: Focaccia mit Knoblauchöl

Focaccia: 380 g Mehl in eine Schüssel geben und in der Mitte eine Mulde drücken. 7 g Hefe in 250 ml lauwarmem Wasser auflösen, zusammen mit 1 EL gehacktem Thymian, 1 EL Rosmarin und 0,5 TL Zucker in die Mulde geben und zu einem Teig verkneten. Den Teig zu einer Kugel formen. Eine zweite Schüssel mit 2 EL Öl auspinseln und den Teig darin so lang herumrollen, bis das Olivenöl völlig aufgesaugt ist. Den Teig zugedeckt an einem warmen Ort zirka 15 Minuten gehen lassen, bis sich das Volumen verdoppelt hat. Anschließend durchkneten und nochmals 15 Minuten gehen lassen. Den Teig in 4 Portionen teilen, zu einem dünnen Fladen rollen und von jeder Seite zirka 6 – 8 Minuten grillen, bis der Fladen eine goldbraune Farbe bekommt.
Knoblauchöl: 70 ml Olivenöl mit der Hilfe eines Pürierstabes mit drei frischen, geschälten Knoblauchzehen nicht zu fein pürieren mit Salz und schwarzem Pfeffer abschmecken. Das Knoblauchöl gleichmäßig auf dem Focaccia verteilen.
Dazu passen gegrillte Tomaten- und Gurkenscheiben garniert mit schwarzen Olivenscheiben und ­frischem Basilikum.