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Sekt vom Winzer

geschrieben von Rüdiger Albert im Oktober 2013

Champagner aus Frankreich, Cavas aus Spanien, Spumanti aus Italien, Sparkling Wines aus Übersee:die ganze Welt der feinen Perlen tummelt sich auf dem deutschen Schaumwein-Markt

Die Importe betrugen 2012 etwa 100 Millionen Flaschen – eine imponierende Menge, aber die Deutschen trinken offensichtlich lieber Sekt aus dem eigenen Lande: Vier von fünf Flaschen Schaumwein – über 450 Millionen – kamen aus einheimischen Sektkellereien oder auch von Winzern.
Die große Aufmerksamkeit der Konsumenten am Sekt erscheint umso überraschender, weil kaum ein Gast im Restaurant zwischen „deutschem Sekt“ und „Sekt aus Deutschland“ unterscheiden kann. Und nur wenige all dieser Sektprodukte spielen zum Perlenkonzert in einer gescheiten American Bar auf. Beim Schaumwein halten es die Bargäste bislang vornehmlich mit Champagner. Cavas sind keine ernstzunehmende Alternative, Spumante fehlt nach wie vor die qualitative Konstanz, vor allem aber fehlt es den Südländern an Aura. Mit Champagner schenkt der Gastgeber nicht einfach Bitzelwasser ins Glas – dann täte es auch Pausensprudel –, Champagner suggeriert Kultur, Finesse und verspricht Erotik. Keine Frage also: Bei diesen Aussichten möchte kein Weinproduzent hierzulande außen vor bleiben.
Was keltern die deutschen Sektproduzenten, um berauschende Träume zu erfüllen? Mit Lockangeboten arbeiten die großen Kellereien besonders gerne vor Weihnachten und Silvester. Quasi im Sturztrunkverfahren rauscht zu dieser Zeit ein Drittel des Jahressektkonsums durch durstige Kehlen, insbesondere schäumende Billigheimer. Da Vater Staat dabei reichlich Sektsteuer kassiert, bleiben dem Hersteller noch ein paar Cent für Flasche, Etikett, Abfüllung, Transport und Gehälter. Den Grundwein muss er damit übrigens auch noch bezahlen — eine Rechnung, die geschmacklich nicht aufgehen kann. Wahrlich nichts für den gesunden Konsumentenverstand!
Sekt boomt schon seit geraumer Zeit in deutschen Landen. Irgendwann gegen Ende des letzten Jahrhunderts rief dieser Erfolg auch die kleineren Winzer auf den Sektplan. Aber trotz bester Marktchancen zeigten sich allzu viele Traubenbändiger von einer weit verbreiteten Berufskrankheit infiziert: der Bauernschläue. Sie offerierten erst einmal, um die Kaufbereitschaft ihrer Kunden zu testen, ansprechende Winzersekte zu einem fairen Preis. Vom Erfolg trunken, erhöhte das Gros der Winzer in den darauffolgenden Jahrgängen die Produktion und die Preise. Versektet wurden freilich miese Grundweine, nach dem altbewährten Motto: Ein schlechter Wein taugt immer noch zum Sekt. Sekt ja, aber zu keinem guten!

Was zeichnet einen Winzersekt aus? Ein Sekt, produziert nach dem berühmtenfranzösischen Vorbild der Methode Champenoise.

Feste Ecken in Stätten gehobener Trinkkultur konnten nur wenige deutsche Premium-Marken wie der knorrige „Geheimrat J“ oder der stets gute „Fürst von Metternich“ besetzen – und eben einige Top-Winzer. Sie versuchten die Marktnische zwischen etablierten Premium-Sekten und teueren Champagnern zu besetzten – mit hochwertigen Winzersekten.
Doch was zeichnet einen Winzersekt aus? Ein Sekt, produziert nach dem berühmten französischen Vorbild der Methode champenoise. Die nötige zweite Gärung des Weins wird durch Zugabe von Zucker und Hefe nicht in Tanks oder Fässern, sondern direkt in der Flasche eingeleitet. Steuernde Eingriffe in den laufenden Gärungs- und Reifungsprozess sind beim aufwändigen Flaschen­rütteln-­Verfahren – anders als bei Sekt, der im Tank perlt – nicht möglich. Die Mindestlagerzeit auf der Hefe beträgt bei seriösen Winzern mindestens neun Monate, zuweilen dauert sie auch erheblich länger. Anschließend werden die Flaschen täglich in speziellen Pulten von Hand gerüttelt und gedreht. Zu guter Letzt wird die Hefe degorgiert. Der gerüttelte Wein verlässt ausschließlich beim Trinken die Flasche.
Die Sektherstellung sollte durch den Erzeuger der Trauben, durch den Winzer (daher der Name) erfolgen und ausschließlich aus jeweils einer Reb­sorte komponiert werden. Ziel: Der veredelte Wein soll elegant und rassig, frisch und fruchtig, fein und doch auch nachhaltig schmecken – ganz nach dem Vorbild der Champagne.
Das Gros der deutschen Top-Winzer hofft mit Riesling-Sekt den Franzosen Paroli bieten zu können. Doch nur extraktreiche Riesling-Grundweine mit ausreichend Säure und einem Hefelager, das deutlich länger als neun Monate dauert, lassen filigrane, frische Rieslingsekte ins Glas blubbern. Auch bei Winzersekten, gerüttelt aus anderen Reb­sorten, bleibt die Qualität der Grundweine ausschlaggebend für die Qualität im Glas zum Trinkgenuss.
Berauschende Erlebnisse füllen Winzer wie Raumland (Rheinhessen), Huber (Baden) und Wegeler (Rheingau) ab. Doch kein anderes Weingut füllt mehr erstklassigen Winzersekt ab als der Wilhelms­hof in Siebeldingen. Herbert Roth hat sich schon früh einen Namen mit flaschenvergorenem Sekt gemacht. Tochter Barbara und Schwiegersohn Thors­ten haben inzwischen die Verantwortung im südpfälzischen Weingut übernommen. Und nur dem Wilhelmshof gelang es über lange Jahre, mit seinen Burgundersekten bei internationalen Blindverkostungen in die Phalanx der Champagner einzudringen. Sekt vom Winzer aus deutschen Landen: für die gehobene Weinnase und schonend zur Portokasse.(ra)


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Die Sektherstellung
Für die Herstellung von Sekt gibt es drei Verfahren:

Die Vergärung im Cuvée-Faß: Die Cuvée muss jährlich in gleicher Geschmacksrichtung auf den Markt kommen, um den Wünschen einer bestimmten Verbrauchergruppe zu entsprechen. Dies gilt für den Markensekt, der in Deutschland einen hohen Anteil an der Gesamtproduktion hat. Die Gärung erfolgt in großen Stahltanks.
Die Flaschengärung: Bei der traditionellen Methode der Flaschengärung erfolgt der gesamte Gärvorgang in der Flasche. Die einzelnen Flaschen werden gerüttelt und entheft. In der Regel entstehen hier hochwertige, individuelle Tropfen.
Die Flaschengärung im Transvasier-Verfahren: Dabei wird zunächst in der Flasche vergoren, dann erfolgt unter Gegendruck das Umfüllen zum Zwecke der Filtration. Nach der Fertigstellung wird der Sekt wieder auf Flaschen gefüllt. Viele Hersteller favorisieren diese Methode bei der Versektung ihrer Premiummarken.

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