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Das Brömsehaus

geschrieben von Irene Lange im Januar 2014

600 Jahre bewegte Geschichte: Einst Handelshaus, heute Begegnungsstätte und kultureller Mittelpunkt für Lüneburger und Deutsch-Balten

Auf eine bewegte Vegangenheit kann das Brömsehaus in Lüneburg, Am Berge 35, in den sechs Jahrhunderten seit seiner Er­bauung zwischen 1406 und 1426 blicken. Seinen Namen verdankt es einem Sülfmeister: Auf einem mannshohen Gemälde in der weiträumigen Eingangs­halle des Gebäudes ist der Erbauer und Namensgeber Dietrich Brömse in prächtigem mittelalterlichen Gewand dargestellt.
Einst wurde in dem zu den ältesten Bürgerhäusern Lüneburgs zählenden Kaufmannshaus reger Handel mit Waren jedweder Art betrieben. In der hallen­ähnlichen Diele fanden auch Pferdefuhrwerke Platz. Davon zeugt heute noch die mit einem Holzdeckel verschlossene Einlassung im Boden, die seinerzeit mit dem Futter für die Pferde befüllt wurde.
Im Jahr 1937 schien das Schicksal des Brömsehauses beinahe besiegelt gewesen, denn damals war der Zustand des Hauses derart baufällig, dass schon der Abbruch beschlossen war. Als Retter erwies sich der damalige Lüneburger Museumsleiter und Stadtarchivar Professor Dr. Wilhelm Reinecke. Er rief zu Spenden für den Erhalt des Bauwerks auf und hatte Erfolg. Viele namhafte Lüneburger Bürger beteiligten sich, ihre Namen und Wappen sind auf den bleiverglasten Scheiben an der großen Fensterfront zum Hof, dem sogenannten Ehrenfenster, verewigt. Auch die ursprüngliche Balkendecke mit farbigen Ornamenten ist im Zuge der Restaurierung im gleichen Jahr von dem in Lüneburg lebenden Maler und Grafiker Professor Arthur Illies übermalt worden. In diesem Zuge wurde der Museumsverein neuer Eigentümer des Hauses und blieb es bis 1971.

In der hallenähnlichen Diele fanden Pferdefuhrwerke Platz. Davon zeugt die Einlassung im Boden, die mit dem Futter für die Pferde befüllt wurde.

In den vielen Jahrzehnten seit seiner Erbauung erlebte das Haus den Wechsel etlicher Besitzer und Bewohner. Auch wurden immer wieder Umbauten vorgenommen. Ursprünglich zierte ein für die Backsteingotik typischer Staffelgiebel das Gebäude, der jedoch wegen seiner Baufällig abgetragen und einem Spitzgiebel weichen musste. Drei erhaltene Spitzbögen rechts neben dem Eingang zeugen davon, dass hier einst die Klosterkapelle St. Andreae des Klosters Heiligenthal stand.
Über der großen Diele, von welcher Treppen ins Obergeschoss führen, befanden sich einst Speicher­räume für die Handelswaren. Sie wurden mit einer Kranwinde nach oben transportiert. Später wurden die Kammern zu Wohnräumen umfunktioniert, ebenso entstanden diese neben der Diele. Dort befindet sich noch heute ein Raum mit einer außergewöhnlich gut erhaltenen Stuckdecke, die bib­lische Szenen zeigt. Deren Schöpfer soll ein gewisser Kaspar Kichler gewesen sein, der von 1622 bis 1637 im Hause lebte. Auch der runde Kachel­ofen ist noch funktionstüchtig. Im Obergeschoss ist eine Bibliothek sowie ein umfassendes Archiv eingerichtet worden, das auch für wissenschaftliche Arbeiten zur Verfügung steht.

Drei Spitzbögen rechts neben dem Eingang zeugen davon, dass hier die Klosterkapelle St. Andreae des Kloster Heiligenthal stand.

Auffällig sind die Treppenaufgänge und zwei gut erhaltene Renaissancetüren in der Diele. Die reich­lich verschnörkelten Treppengeländer stammen aus der Barockzeit und wurden aus einem abgerissenen Nachbarhaus gerettet, ebenso wie die Figuren am Treppenaufgang.
Bis 1579 war das Haus Sitz der Patrizierfamilie Brömse und wechselte von da an in mehr oder weniger langen Abständen die Eigentümer. Unter ihnen befinden sich alte Lüneburger Namen wie Düsterhop, Döring, Töbing, von Bücken, Weihen, Bartmann, Krüger und Roscher. Über ein Jahrhundert hinweg gehörte das Haus Franz Elias Kahle und Erben.
Nach dem 2. Weltkrieg fanden Flüchtlingsfamilien im Brömsehaus eine Unterkunft. Inzwischen hatte es die Stadt Lüneburg übernommen und stellte es nach einer gründlichen Renovierung unter Denkmalschutz. Viele ehemalige Bürger aus baltischen Ländern hatte es ebenfalls nach Lüneburg ver­schlagen, die sich in der so genannten Carl-Schirren-­Gesellschaft e.V. zusammenschlossen. Benannt ist sie nach dem 1826 in Riga geborenen deutsch-baltischen Historiker verdankt Carl Schirren. Deren Mitglieder wurden ab 1973 Mieter des Hauses, konnten es 1983 dank zahlreicher Spenden käuflich erwerben. 2005 ging es schließlich in das Eigentum der deutsch-baltischen Kulturstiftung über, deren ehrenamtliche Mitarbeiter sich seither nicht nur für die Erhaltung und Pflege des Brömsehauses einsetzen sondern auch für Anliegen der Carl-­Schirren-Gesellschaft und den Erhalt des deutsch-­baltischen Kulturgutes. Geschäftsführerin ist Karin Hielscher-Strauss, deren verstorbener Ehemann aus Riga stammte.

Von der Rettung vor dem Abriss zeugen die Namen der Spender, deren Namen auf den bleiverglasten Scheiben des Ehrenfensters verewigt sind.

Heute ist das Brömsehaus wieder eine lebendige Stätte der Begegnung, das gemeinsam mit dem Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen im Osten Europas – kurz Nord-Ost-Institut – für zahlreiche Veranstaltungen genutzt wird, darunter ­Seminare, in denen sich baltische und deutsche Wissenschaftler einer Vielzahl von kulturellen ­Themen widmen. Ausstellungen, Vorträge, Lesungen und nicht zuletzt Konzerte vervollständigen das Programm. Einer besonderen Beliebtheit erfreuen sich Konzerte, die von Lüneburger Bürgern und Deutsch-­Balten gern besucht werden. Das Brömsehaus und damit auch die Stadt Lüneburg ist zu einem kulturellen Mittelpunkt deutsch-baltischen Lebens geworden. Damit schließt sich hier der Kreis einer Jahrhunderte währenden gemeinsamen Geschichte.(ilg)

FotoS: Enno Friedrich